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Die Woche im Fernsehen: Ordnungshüter-Opis auf Weltreise

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Toto & Harry - Die Kult-Cops im Ausland | Kabel 1
Das Café am Baikalsee
 | ZDF
Sing meinen Song - Das Tauschkonzert
 | Vox
Catwalk30+
 | TLC

Wenn deutschen Fernsehmachern wirklich gar nichts mehr einfällt, bleibt immer noch die Selbstverbannung ins Ausland. Anfang des Jahres beförderte RTL 2 seine "Privatdetektive im Einsatz" kurzerhand zu "Privatdetektiven im Einsatz in Los Angeles", wo muskulöse Ex-Wrestler amerikanische Laiendarsteller auf abgelegenen Schrottplätzen über Motorhauben schleudern durften, um ihnen mit bleiern deutschem Akzent entgegenzubrüllen: "And now? And now what?" Gerade erst hat der Sender die eierlegende Wollmilchsau des Reality-Fensehens - einen kleinwüchsigen, arbeitsfaulen, Hartz-IV-beziehenden, thüringischen Elvis-Fan - mit Familie vom sechsfolgigen Chaosauswandern aus den Vereinigten Staaten zurückgeholt.

Und in der vergangenen Woche machte Kabel 1 die Fernsehpensionierung der Ex-Sat.1-Realitypolizisten rückgängig, um die "zwei Kult-Cops aus Bochum" bei "Toto & Harry - Die Kult-Cops im Ausland" einmal übern Globus zu scheuchen und sie in verschiedenen Ländern dabei zu filmen, wie sie der dortigen Rechtsbeschützern bei der Arbeit im Weg rumstehen.

In Brasilien durften die beiden in dieser Woche mit sehr geduldigen Kollegen Bombensuche spielen, jugendliche Motorradflüchtlinge verfolgen helfen, die Militärpolizei für die stolz der Kamera präsentierten Drogenfunde zum Ehrenbochumer ernennen ("Great job!") und auf Wasserbüffeln die Sümpfe am Amazonasdelta patrouillieren (ganze Folge bei kabeleins.de ansehen).

Kabel 1 verwertet altes Reality-Rezyklat wieder; das ZDF lädt zur Café-Eröffnung an den Baikalsee; bei Vox bestätigen sich "Ausnahmemusiker" ihre Tollheit; Jana Ina sucht "Best Ager" ab 30

Fotos: Kabel 1, ZDF/Julia Fink, Vox, TLC

"Das kann was werden: Bulle auf Bulle", ulkte der Off-Sprecher zum Büffelritt, kündigte vor der Werbepause an: "Gleich! Totos und Harrys gefährlichster Einsatz im größten Armutsviertel Südamerikas!" und streute in die mäßig aufregenden Ereignisse der fünf Auswärtstage die "legendärsten" Streifengänge der "Kult-Cops" im quietschbunten Palmenrahmen ein. (Oder, wie man unter Fernsehprofis sagt: aus alten Sat.1-Dokusoaps wiedergewonnenes Reality-Rezyklat.)

Die ungewohnten Umstände führten bei einer Hälfte der "Kult-Cops" zum sofortigen Sprechdurchfall, wodurch jeder Einsatz der brasilianischen Kollegen sorgfältig mit Polizeiweisheiten aus der Heimat ausgegossen wurde ("Das haben wir in Deutschland auch: Die typischen Nichtsesshaften!"). Aber sowas kann ja mal passieren. Und womöglich haben sich die zwei Ordnungshüter-Opis die Weltreise auch redlich verdient. Aber hey, Kabel 1: Können wir uns darauf einigen, dass nächstes Mal einfach kein Kamerateam mehr mitkommt?

Das ZDF betätigt sich ja schon seit längerem als Reiseveranstalter und hat, nachdem der Mallorca-Urlaub für Markus Lanz in diesem Jahr ausfällt, stattdessen ein paar junge Deutsche zum russischen Baikalsee geschickt, um sie dort für vier Wochen in einem 1000-Einwohner-Dorf ein Café betreiben zu lassen. Warum genau, hat die Doku mit dem recht präzisen Titel "Das Café am Baikalsee" zum Auftakt zwar nicht verraten (in der ZDF-Mediathek ansehen)

Dafür war die Regie wohl zu sehr beschäftigt, Gesprächsfetzen der Protagonisten zu einem Flickenteppich der Besorgtheiten zusammenzuschneiden ("Uns war allen richtig mulmig", "Natürlich hat man erstmal ein bisschen Angst gekriegt", "Geht das gut?") und angeberische Kamerafahrten mit der Kameradrohne dazwischen zu fummeln.

Allerdings muss der Zweiteiler wohl vor allem als Bemühung gewertet werden, den ersehnten jungen Zuschauern auf dem versprochenen Innovationssendeplatz am Sonntagmittag, zu erklären, dass das Leben anderswo auf der Welt nicht immer wie ein "Fernsehgarten on Tour" funktioniert, bei dem alle gut beschikcert sind und am Ende De Höhner singen. Sondern dass es auf so einer Insel im "mythischen See der Superlative" höllisch anstrengend ist, nachts nicht draußen am Plumpsklo festzufrieren und morgens erstmal die vorgekochte Suppe aufzutauen, die man abends auf dem Herd hat stehen lassen.

Mit einem sehr langen Anlauf erzählt die Doku dann doch noch ein bisschen detaillierter von Land und Leuten und ist damit um Längen sehenswerter als alles, was in den vergangenen Monaten auf dem merkwürdigen Sonntagmittag-Sendeplatz im Zweiten ausprobiert wurde.

"Wir wollen einfach vermitteln, dass Musik im Fernsehen Spaß machen kann, ohne dass man jemanden ausscheiden lassen muss", hat Sänger Sasha in der vergangenen Woche castingshowkritisch beim Castinghshow-gebeutelten Sender Vox zu Protokoll gegeben, bevor er sich von den nach Südafrika mitgereisten Kollegen seine schönsten Hits vorsingen lassen durfte (siehe auch Programmstörung vom März). Damit war der Sänger mit der Wechselidentität der erste aus der Truppe, die Tonangeber Xavier Naidoo für "Sing meinen Song – Das Tauschkonzert" ausgesucht hat (außerdem: Sarah Connor, Roger Cicero, "Volksrocker" Andreas Gabalier, Songwriter Gregor Meyle und "Guano Apes"-Frontschreierin Sandra Nasic).

Wenn gerade nicht gesungen wird, funktioniert die Sendung ein bisschen wie eine Therapiegruppe für die deutsche Musikbranche, die ihr musikalisches Schaffen vom Fernsehen nicht ausreichend gewürdigt sieht, weswegen sich die Mitgereisten nun in einer Tour gegenseitig referieren, was sie für "Ausnahmekünstler" sind (ganze Show bei voxnow.de ansehen).

Noch dazu fehlen leider entscheidende Elemente der Vorbildsendung "Cover my song". In der 2012 gezeigten Reihe trafen Rapper und Schlagerstars aufeinander, um sich gegenseitig ihre Lieder zur Neuinterpretation anzuvertrauen. Das hat so gut funktioniert, weil die Protagonisten dafür ihre Vorurteile überwinden mussten, sich auf ein völlig unbekanntes Genre einlassen und dabei so manches mal eine ganz erstaunliche Wertschätzung füreinander entwickelt haben.

Beim "Tauschkonzert" gibt's diese Ebene nicht. Die Musiker kennen sich längts, manche sind schon Kumpel, und Kumpel. Das ist leider der sehr große Schwachpunkt der eigentlich ganz schönen "Tauschkonzerte": Dass einem das ganze Rumgelobe schon nach wenigen Minuten mächtig auf den Zeiger geht. Alles ist "sehr geil", "krass" und "flasht". Während der Auftritte wird von den Zuschauenden auf der Ledercouchgarnitur im Paradiesgarten vor der Monsterobstschale geklatscht, gewippt und ge-yeaht, anschließend folgen ausschweifende Gratulationsriten.

Wenn das in den kommenden Wochen jetzt noch sechs Mal genauso laufen soll, wird das eine echte Geduldsprüfung.

Und dann war da noch Jana Ina Zarrella, die jetzt dafür sorgt, dass nicht mehr nur Teenager in den Genuss kommen, vom Fernsehen Karrieren voller spannender Oberflächlichkeiten schmackhaft gemacht zu bekommen. Sondern auch die "Best Ager", auf die sich eine Münchner Vermittlungsagentur spezialisiert hat, mit der Zarrella beim neu gestarteten Frauensender TLC Frauen aussucht, die sich in ihrer Tagesfreizeit für Dirndl-Designerinnen ablichten lassen. "Best Ager" sind bei "Catwalk 30+" Frauen über 30, also Zugspätgeborene, die beim Start von "Germany's Next Topmodel" schon den Irrweg einer beruflichen Karriere oder eines abgeschlossenen Hochschulstudiums eingeschlagen hatten.

Offensichtlich sind die so zahlreich, dass TLC sich dazu entschlossen hat, die Auslaufmodelsuche in Serie gehen zu lassen, um den Zuschauerinnen auf keinen Fall Vorbilder wie "die flippige Tina" vorzuenthalten, denn: "Die quirlige Zumba-Lehrerin ist alles andere als zurückhaltend." (Ganze Folgen bei tlc.de ansehen.) Bei TLC mag man den einschläfernden Aufguss der bekanntesten Modelshow-Kniffe, vom "Umstyling" übers "Beautyshoot" bis zur Auftragsvergabe durch die "Fachjury", ja innovativ finden.

Am Ende kommt's aber auch im Fernsehen immer darauf an, was genau da gequirlt wird. Sonst ist das Ergebnis am Ende – ach, Sie wissen schon.

Soviel für diese Woche.

Zuvor erschienene Ausgaben der "Woche im Fernsehen" stehen hier.


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